Verbindlichkeit ausschließlich tarifbedingter Erhöhungsverlangen gem. SGB XI ? - Urteil LSG MV vom 07.03.2013 Az. 6 P 16/11 KL - jetzt rechtskräftig BSG vom 14.02.2014 Az. B 3 P 19/13 B

Das Landessozialgericht hatte darüber zu befinden, inwieweit unstrittig tarifbedingte Erhöhungsverlangen einem Schiedsspruch nach der neueren BSG-ERechtsprechung zugrundezulegen sind. Geklagt hatte ein überörtlcher Sozialhilfeträger im Namen eines örtlichen Sozialhilfeträgers gegen einen Schiedsspruch der hiesigen Schiedsstelle nach SGB XI, der dem Antragsteller im Hinblick auf sein tarifbedingtes Erhöhungsverlangen vollumfassend entsprochen hatte. Der kirchliche Träger des betroffenen Pflegeheimes war beigeladen worden. Die Klage wurde abgewiesen: 


 

Das Landessozialgericht führt dazu aus:


 

"Auf derersten Stufe- Plausibilisierung der Gestehungskosten - haben sich die Parteien der Pflegesatzvereinbarung bereits vor Anrufen der Beklagten untereinander geeinigt. ... An diese Einigung hat sich die Beklagte zutreffend gebunden gefühlt, auch der Senat vermag sie nicht mehr zu hinterfragen. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass im Schiedsstellenverfahren die Dispositionsmaxime gilt und die Beteiligten der Schiedsstelle vorgeben können, welche Prämissen unstreitig gestellt sind. Einer solchen Bindungswirkung sind freilich wegen der Drittbindung der Pflegesatzfestlegung (zum Beispiel für Selbstzahler) Grenzen gesetzt. Dritte dürfen nicht "Opfer" unzureichenden Agierens der Kostenträger werden (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Beweislastentscheidungen). Aber auch unter diesem Aspekt hatte die Beklagte im Ergebnis keinen Anlass, die erfolgte Einigung in Frage zu stellen. Zwar war die Beigeladene zu 1.) auch ohne die vorliegend streitige Erhöhung bereits die teuerste Einrichtung im ehemaligen Landkreis Z., was immerhin darauf hindeuten könnte, dass es Wirtschaftlichkeitsressourcen gibt. Aber abgesehen davon, dass die Wirtschaftlichkeit auf der ersten Stufe noch keine Rolle spielt, sind dem Vortrag der Beteiligten gerade überhaupt keine objektiven Anhaltspunkte für (außerhalb der Tariferhöhung) bestehende überzogene Gestehungskosten erkennbar, die alleinige Tatsache einer bereits bestehenden Hochpreisigkeit vermag die Schiedsstelle zum Ermittlungen "ins Blaue hinein"  weder zu verpflichten noch auch nur zu berechtigen. ....

Der Kern des Rechtsstreits liegt vielmehr auf der Ebene derzweiten Prüfstufe, dem externen Vergleich. Auf dieser Ebene obliegt es zunächst den Kostenträgern, die Daten zum externen Vergleich zusammenzustellen und vorzulegen, wobei regelmäßig als Vergleichsheime andere Pflegeeinrichtungen ähnlicher Struktur im Landkreis heranzuziehen sind, ohne dass es in diesem Zusammenhang auf eine Tarifbindung ankäme. ....

Die Beklagte hat das Erhöhungsverlangen hier auch auf der zweiten Stufe trotz der Hochpreisigkeit der Einrichtung für berechtigt gehalten, weil das Erhöhungsverlangen - wie dargelegt insoweit letztlich unstreitig - ausschließlich auf Erhöhungen der tariflichen Entgelte für die Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1. beruht. Gestützt hat sich die Beklagte hierbei auf die Entscheidung des BSG vom 29. Januar 2009 (a.a.O.), soweit es dort heißt, die Einhaltung einer Tarifbindung und ein deswegen höherer Personalkostenaufwand genügten stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung  Hieran anschließend hat das BSG für den Bereich der häuslichen Krankenpflege mit Urteil vom 25. November 2010 (B 3 KR 1/10 R) ausgeführt, dass die Wahrung der Tarifbindung der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung nicht entgegen stehe, weil in der Pflege tätigen Arbeitnehmern ein ihren Leistungen und ihrem Einsatz für kranke und behinderte Mitmenschen angemessenes Arbeitsentgelt zu gewährleisten sei. Ein Preiskampf zwischen den Trägern dürfe nicht zu einer nichtvertretbaren Absenkung der Entgelte der Pflegekräfte und der Qualität der Leistungen führen. Auch müsse der Anreiz verringert werden, kollektive Tarifverträge zu verlassen, Aufgaben auszulagern oder durch sonstige die Stammbelegschaft benachteiligenden Maßnahmen ausuzuweichen. Einschränkend sei eine Grenze der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung bei Wahrung der Tarifbindung dort zu ziehen, wo im Einzelfall die Höhe der vereinbarten Lohn- und Gehaltssteigerung die von anderen Einrichtungsträgern gezahlten Arbeitsentgelte deutlich übersteige und es hierfür am Markt keine sachlichen Gründe gebe. Es gebe keinen Freibrief für Tarifpartner, zu Lasten der Leistungsträger und der Versicherten jedwede Tariferhöhung zu vereinbaren Allerdings könne ein sachlicher Grund für überdimensional hohe Arbeitsentgeltsteigerung Nachholbedarf im Hinblick auf einen bisher vorhandenen Rückstand sein.

Auch diesen nichtergänzungsbedürftigen Ausführungen des BSG schließt sich der erkennende Senat einschränkungslos an, da die Berücksichtigung angemessener Interessen auch der im Pflegebereich tätigen Arbeitnehmer geboten ist, während es sozialstaatlich unvertretbar erschiene, wenn durch eine reine Bevorzugung möglichst günstig agierender Einrichtungen sozialpolitisch unstreitig unerwünschter Arbeitsbedingungen nicht nur geduldet, sondern sogar aktiv gefördert würden. Nicht zu verkennen ist in Übereinstimmung mit dem BSG hierbei auch die den Zielen des SGB XI zuwiderlaufende zwangsläufige Rückkoppelung auf die Qualität der Pflege bei unzureichenden Arbeitsbedingungen.

Konsequenz hieraus ist, dass die Stützung eines Erhöhungsverlangens auf Tariferhöhungen letztlich bereits hinereichend auch die Wirtschaftlichkeit des Erhöhungsverlangens belegt. ...."


 

Anmerkung:

Ich weise darauf hin, dass das Urteil hier nur in Auszügen wiedergegeben wird und selbstverständlich nur der Einzelfall beurteilt und entschieden wurde. Das Gericht hat allerdings die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG als unzulässig verworfen.


 

Gerne stehe ich zur Geltendmachung und Durchsetzung von begründeten Erhöhungsverlangen in Pflegesatzverhandlungen, vor Schiedsstellen und Gerichten zur Verfügung. Dabei ist der stringenten Plausibilisierung des Erhöhungsverlangens besondere Sorgfalt zu geben.

 

Fanilie gestaltet von SARRO